Nach etwas längerer Pause will ich mal wieder ein wenig berichten… Das hatte ich mir eigentlich schon für den Montag vorgenommen, aber da kam das konsumieren von sinnlosem Internetinhalt dazwischen, und gestern hatte Sie dank einer Notlüge frei.
Mein letzter Bericht endete noch mit dem Versprechen, anlässlich des Besuchs des Schlosses in Nagoya ein wenig über die Historie Japans zu berichten – aber keine Angst, den Teil werde ich kurz halten. Ich muss schliesslich noch irgendwie über Kimble, Ryoheys Atelier, das beschauliche Tokyo, Osu in Nagoya und ein Treffen mit Akiko schreiben… Ich werde wohl kürzen müssen und wahrscheinlich nicht alles heute schaffen.
Letzte Woche (Donnerstag?) war ich mit Ryohey verabredet, der mich mit dem Auto in die Stadt fuhr. Ziel war das Schloss in Nagoya, Tourismusmagnet und Symbol für die Edo-Zeit, die ich später erklären werde. Das Wetter war eher von mieser Natur, kühl und grau, und sollte sich im Laufe des Tages noch zu fiesem Dauerregen weiterentwickeln. Nach etwa einer halben Stunde durch das verwirrende Strassensystem der Autostadt Nagoya hatten wir das Schloss schliesslich gefunden, eine weitere Viertelstunde später sogar den offiziellen Parkplatz, der übrigens Sauteuer war.
Nach einem Fussweg durch die nur noch teilweise erhaltenen Schlossgärten, über Brücken und tiefe Befestigungsgräben, an alten Teehäusern und Theatern vorbei erreichten wir schliesslich das Schloss, dass sich majestätisch dem Himmel entgegenreckte:
Leider ist das Hauptgebäude nur ein Wiederaufbau des Originals, welches im Mai 1945 durch einem Amerikanischen Luftangriff komplett ausbrannte. Sichtbar wird das an dem… ähm… Geschmackvollen Fahrstuhlanbau, für den der Architekt einen Preis für das Erhalten des Schlossgeistes verdient:
Im Schloss selber gibt es auf etwa 8 Etagen viel zu sehen. Alte Artefakte, die nicht im Feuer untergingen, Ausstellungen über das Leben damals, jedenfalls viel Historie, einiges zum Anfassen und lebendig dargestellt, anderes Museumsstaubtrocken, und eines auch einfach nur kitschig: Ein 3D-Film (mit Brille) über den alten Palast, der neben dem Schloss stand und noch nicht wieder aufgebaut wurde. Ich habe selten einen so überflüssigen Einsatz von 3D-Animationen gesehen… Und das obwohl das mein Beruf ist! Statt eines Rundgangs gab es nur vereinzelte „Einblicke“ in die Malereien auf den Schiebetüren, die aber sowieso z.T. gerettet wurden und im Original bewundert werden konnten. Ansonsten aber einen Vogel, der ständig und unpassend 3-Dimensional durchs Bild flog, einen schlecht animierten 3D-Comic Tokugawa (der Kriegsherr, der das Schloss damals bauen liess, dazu später mehr) und, als grosses Finale, kitschigen Blumenregen. Spätestens bei den Blumen konnten Ryohey und ich uns nicht mehr halten und brachen in schallendes Gelächter aus. Wir gingen weiter und bewunderten lieber Samuraischwerter, Möbel und Kostüme aus der Zeit. So lernte ich also ein wenig japanische Geschichte. Das Schloss wurde 1609 von Tokugawa Ieyasu gebaut (bauen lassen), das ist dieser hier:
Tokugawa Ieyasu und zwei andere Feldherren hatten nach einer grossen Schlacht im Jahre 1600 die jahrhundertelange Spaltung Japans in hunderte Fürstentümer in einem blutigen Finale beendet, und war militärisch der Alleinherrscher Japans. Er verlegte die Hauptstadt ins heutige Tokyo, was damals noch der unbedeutende Fischereihafen Edo war. Nach Edo wird die folgende, 200 Jahre dauernde Periode auch Edo-Zeit genannt. Entscheidend an dieser Zeit:
– Der Kaiser wurde durch die Verlegung der Hauptstadt entscheidend geschwächt
– Die Fürsten wurden in ihrer Macht stark beschränkt, ein Grossteil der Burgen geschleift
– Somit lag die Macht vor allem in der Hand des Shogunats, also der Kriegsherren
– Die Bevölkerung wird in vier Stände aufgeteilt (von unten nach oben: Händler, Handwerker, Bauern, Samurai)
– Japan wird komplett abgeschottet, das Christentum verboten, ein moderner, weltlicher Buddhismus wird Staatsreligion
Besonders die nationale Isolation hat Japan wahrscheinlich nachhaltig geprägt. In dieser Zeit jedenfalls, ich würde sie einfach mal als Militärdiktatur bezeichnen (andere Quellen sprechen auch von einem Polizeistaat), herrschte lange Zeit Frieden. 200 Jahre lang blühte die Kultur auf, Malerei und Theater entwickelten sich zur Perfektion, der Analphabetismus war gering, und auch die Wirtschaft profitierte enorm. in Tokyo wohnten um 1750 schon eine Million (!) Menschen, in Osaka und Kyoto über 400.000. Nagoyas befestigte Innenstadt sah damals etwa so aus:
Das Ende dieser Blütezeit der japanischen Kultur kam 1853, als Commander Perry von der U.S. Navy mit seinen Kanonenbooten die Öffnung Japans erzwang. Es folgten Aufstände von unzufriedenen Samurai, und schon bald brach das Shogunat zusammen – und der Kaiser war wieder an der Macht. Die Isolation wurde immer weiter aufgegeben, und schliesslich folgte die Meiji-Periode, in der Japan von Agrarstaat zur modernen Imperialen Grossmacht wurde… Das ist aber ein anderes, wenn auch wichtiges Kapitel, legt es doch den Grundstein für die folgenden Perioden, bis hin zum zweiten Weltkrieg, in der wiederrum das schöne Schloss in Nagoya im Feuer zerstört wurde.
Zu Feuer, aber auch zu der nationalen Isolierung, passt folgendes Beispiel von schönstem Engrish:
Nicht vorenthalten möchte ich schliesslich das grossartige Panorama über Nagoya, dass sich von ganz oben aus dem Schloss bot:
<— klick
Und als letztes noch Nagoya zwischen Tradition und Moderne (immer wieder schönes Motiv hier):
Soweit erstmal zur Geschichte. Das Schloss ist wirklich ganz nett, ich muss aber gestehen dass ich das meiste nicht im Schloss und auch nicht von Ryohey (wegen sprachlichen Problemen) gelernt habe, sondern mir aus Wikipedia erlesen habe.
Es ist auch schon wieder Spät geworden auf dem Inselgrüppchen Japan – ich werde Morgen weiterschreiben, versprochen 🙂
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